textbeet

Kompost für den Alltag


Auch anders

Mir ein Rätsel: Da produziert der Südwestrundfunk die super Doku-Reihe Wir können auch anders mit prominenten Schauspieler*innen, sendet im März gegen Mitternacht eine auf Spielfilmlänge gekürzte Version und lässt die sechs Folgen der Staffel dann in der Mediathek verkümmern. Wiesu bluß?

(c) SWR/Florida Film/2Pilots/Martin Rottenkolber

Der Regisseur Lars Jessen erzählt Maja Göpels Bestseller Wir können auch anders auf unterhaltsame Weise weiter und schickt seine Schauspieler*innen an Orte, wo Menschen schon viel bewegt haben im Kampf gegen die Klimakrise.
Best Practices sozusagen.
„Wenn man sieht, was schon alles getan wird, ist es leichter, diesen Weg mitzugehen“, sagt Lars Jessen.
Denn wir können auch anders!

Die sechs jeweils halbstündigen Folgen kann man noch bis zum 16.03.2025 nachschauen in der ARD-Mediathek.

Auf der ganzen Welt gibt es ermutigende Beispiele von zivilgesellschaftlichem, politischem Engagement. Und es ist NICHT ZU SPÄT.

Haymarketbooks, März 2023

Not Too Late ist eine Sammlung von mutmachenden Geschichten und Essays und: Not Too Late ist ein Projekt von Rebecca Solnit und Thelma Young Lutunatabua. Sie schreiben: „Not Too Late isn’t an organization. Our goal is to provide useful perspectives and information and guide people from despair to possibilities.“

Bei der diesjährigen Konferenz der Bioneers in Berkeley hat Rebecca Solnit die Eröffnungsrede gehalten. Besonders schätze ich ja ihre humorvolle, entschiedene Zuversicht.

Zur beeindruckenden Historie der Bioneers seit 1989 [anhand der Ankündigungen, verlinkt zur Website]
Wer lieber einen kurzen Erklärfilm (gut 2 min) sieht: What Are the Bioneers? [verlinkt zu youtube, auf Englisch, ohne Werbung]

Auch anders und letztlich auch eine Konferenz, die Hoffnung machen will: Der (38.) Deutsche Evangelische Kirchentag
vom 6. bis 11. Juni 2023 in Nürnberg.

Anders gesagt:
1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
2 Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; …
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
(Prediger 3, zitiert nach der Lutherbibel 2017)

Mich findet man in Nürnberg voraussichtlich beim Politischen Nachtgebet am Donnerstagabend mit Spirit & Soul und Sven Giegold.

Der Titel anders bleiben war laut der Herausgeberin Selma keine leichte Geburt. Das Ende Januar bei Rowohlt erschienene Taschenbuch versammelt „Briefe der Hoffnung“ und davon kann es einfach nicht genug geben.

Hier geht’s zum Stream der Buchpremiere am 3.2.2023 in der Evangelischen Akademie Frankfurt mit Selma Wels, Achim Stanislawski, Maryam Aras, Dilek Güngör, Hasnain Kazim und Najem Wali.
Auch anders.




miteinander reden

Die von mir sehr geschätzte Publizistin Carolin Emcke spricht seit Ende Februar alle zwei Wochen in ihrem SZ-Podcast In aller Ruhe mit lauter interessanten Menschen, die nicht in jeder dritten Talkshow sitzen. Ende April sprach sie unter dem Titel „Kein Entkommen“ mit dem Autor Ofer Waldman über die Demokratie-Krise in Israel.

Foto: Tal Alon, Bearbeitung: SZ

Diese Folge hat mich besonders berührt, nachdem ich erst neulich Apeirogon von Colum McCann gelesen und festgestellt habe: eins der besten Bücher, die ich kenne. Wer diese Bewertung etwas genauer möchte, kann mich gern ansprechen.


Ofer Waldmann hat in dem „In aller Ruhe“-Gespräch übrigens ein Hörspiel von Noam Brusilovsky empfohlen:
Faust (hab’ ich nie gelesen) [verlinkt zur SWR-Hörspiel-Mediathek]

Quelle: SWR

Sehr witzig und ausgezeichnet als Hörspiel des Monats November 2022 der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.

Und wer noch mehr Zeit hat, zuzuhören, denen empfehle ich das „Jung & Naiv“-Gespräch #639 mit dem Historiker Meron Mendel über „Israel, Palästina & Antisemitismus“.

Von Thorsten Körners Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ hatte ich hier schon im September 2021 geschwärmt – die Geschichte der Frauen der Bonner Republik, die Politik nicht allein den Männern überlassen wollten und so mutig wie selbstbewusst gegen Vorurteile ankämpften.

Foto: Marie-Elisabeth Lüders 1958 an ihrem 80. Geburtstag, aus: „Die Unbeugsamen“

Noch eine Woche lang, bis zum 7.5.2023, sind „Die Unbeugsamen“ in der ZDF-Mediathek zu sehen. So lange die lauen Frühlingsabende noch auf sich warten lassen, kann man auch mal fernsehen, oder?

Barbara Bleisch spricht nicht als Politikerin, sondern als Philosophin klug und selbstbewusst gegen Vorurteile. Ich kenne und schätze sie schon länger als Moderatorin beim Schweizer Fernsehen, wo sie in der Sternstunde Philosophie seit 2010 mit herausragenden Gästen spricht. Bei dem relativ jungen Format UM Politics Talks im Unternehmen Mitte in Bern war Barbara Bleisch am 1. März selbst zu Gast. Auch bei diesem „Gespräch über Gespräche“ [verlinkt zu youtube] gab’s viel zu lernen.

Barbara Bleisch im Unternehmen Mitte in Bern

Von Bonn über Bern nach Berkeley/Kalifornien.
Denn dort fand im April die Bioneers 2023 Conference statt.

Ein Blick auf die Website der Bioneers lohnt sich für alle, finde ich, die auf dem weiten Feld der Klimakrisen offen für Ermutigungen und neue Perspektiven sind.
Auf die Bioneers bin ich eher zufällig gestoßen und zwar über den Song We Shall be Known von MaMuse, den der Thrive East Bay Choir bei der 2017er Konferenz der Bioneers gesungen hat (sehr schöne Version, aber Achtung – Ohrwurm). Zum Text von We Shall be Known [verlinkt zu greatturning.net]

Wahrscheinlich schwirrt Euch jetzt der Kopf vor lauter Namen. Mir machen diese Menschen Mut.
Zur Erholung gibt’s noch ein aktuelles Bild von einem unserer Beete. Unten rechts: Vergissmeinnicht 🙂
Allen ein erfreuliches Frühjahr!


Wortnungsamt®

Die Volksinitiative des Vereins Deutsche Sprache startet in Hamburg eine Unterschriftenkampagne.
»Wir lehnen Gendersprache ab, da sie diskriminierend, integrationsfeindlich und vorurteilsbeladen ist.« Gendersprache sei die Sprache einer Minderheit, die vorgebe, die Mehrheit zu repräsentieren. »Tatsächlich versucht sie, der Mehrheit ihre Privatsprache aufzuzwingen, wenn sie z. B. von Bürger/innen, BürgerInnen, Bürger_innen, Bürgenden, Bürger*innen, Bürger:innen spricht.«
Quelle: dpa 1.2.23

Bürgenden? Ernsthaft??? Kollege Jens hat neulich vorgeschlagen, ein Jahr lang schlicht von Bürgerinnen zu sprechen und damit alle mitzumeinen, probeweise. Finde ich eine gute Idee. Luise F. Pusch hat einen ähnlichen Vorschlag schon 1984 gemacht. Mehr zum Generischen Femininum [verlinkt zu Wikipedia].

Dieser Cartoon stammt wahrscheinlich auch aus den Achtzigern. Ich finde ihn nach wie vor großartig. Freimut Woessner hat mir außer der Nutzungserlaubnis netterweise noch die neuere Variante in Farbe geschickt.


Wie schön wäre es, die Genderdebatte mit mehr Humor führen zu können. Worum genau geht es hier eigentlich? Haben wir keine anderen Themen? Katzen zum Beispiel.

Unser Kater als Baby mit Geschwistern

Und diese Katze wusste doch, dass sie die neue 100-Cent-Marke zieren wird, oder?

Übrigens gibt es einen Sondermarken-Flyer vom Bundesfinanzministerium. Das BMF bringt Marken »zu einer Vielzahl von Themen heraus, welche die deutsche Geschichte und Kultur widerspiegeln«. Dass diese Geschichte vor allem von Männern geprägt war, ist nicht zu übersehen. Ich habe spaßeshalber mal die einzige Frau, die das BMF 2023 mit einer Sondermarke ehrt, gelb markiert, die männlichen Geehrten in rosa und lila. Der bearbeitete Flyer zum Download .

Den BücherFrauen geht es schon seit 1990 um die Sichtbarkeit von Frauen. So laden die Hamburgerinnen auch in diesem Februar wieder ein zu ihrem LiteraturBrunch. Am Sonntag, 26.2. freuen wir uns auf Katharina Adler, Elena Penner und Slata Roschal. Es gibt noch freie Plätze. Mehr Infos auf der BücherFrauen-Website.

Die drei Romane habe ich ausführlicher vorgestellt im Dezember-Textbeet Lieber lesen

Bevor am 24.2. bei Steidl der zweite Roman von Annika Büsing erscheint, möchte ich doch noch NORDSTADT empfehlen, ihr Debüt von 2022

Haben wir keine anderen Themen?
Doch.
Autobahnen.

Quelle: https://fridaysforfuture.de

Ist dieser Bildausschnitt schon kritischer Journalismus?
Foto: Holger Kröger | Quelle: Schenefelder Tageblatt

Quelle: FFF bei Instagram
Schreibt mir, wenn Ihr am 3.3.2023 für den Klimastreik in Hamburg noch eine Bezugsgruppe sucht.
mg(at)textbeet.de
Los geht’s um 13.00 Uhr auf dem Jungfernstieg.


Beschenkt

Doch guter Menschen Hauptbestreben
ist, andern auch was abzugeben.
Wilhelm Busch

Vor, zu und nach Weihnachten haben mir einige gute Menschen ein Buch geschenkt. In alle Bücher habe ich bereits reingelesen, sodass ich sie guten Gewissens schon empfehlen kann. Mal sehen, welches Buch bald meine ganze Aufmerksamkeit bekommt.

Felicitas von Aretin, Starke Schwestern
Klosterreisen – Inspirationen für ein anderes Leben
Herder, 7.11.2022

Ulrike Herrmann, Das Ende des Kapitalismus
Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden
Kiepenheuer & Witsch, 8.9.2022

Colum McCann, Apeirogon
Übersetzt von: Volker Oldenburg
Rowohlt, 21.1.2020

Luisa Neubauer, Dagmar Reemtsma, Gegen die Ohnmacht
Meine Großmutter, die Politik und ich
Tropen, 19.10.2022

Michelle Obama, Das Licht in uns
Halt finden in unsicheren Zeiten
Aus dem Amerikanischen von Norbert Juraschitz, Sabine Reinhardus, Franka Reinhart, Astrid Gravert, Frank Lachmann
Goldmann, 15.11.2022

Luise F. Pusch, Gegen das Schweigen
Meine etwas andere Kindheit und Jugend
Aviva, 28.9.2022

Diese sechs zauberhaften Tassen habe ich am 2. Januar aus einer Zu-verschenken-Kiste vor einem unscheinbaren Laden in Bad Sooden gefischt. Melde sich gern, wer mit mir daraus gelegentlich einen Tee trinken möchte!

Immer, wenn ich mitten im Alltag innehalte
und gewahr werde, wie viel mir geschenkt ist,
werden zahllose Selbstverständlichkeiten
zu einer Quelle des Glücks.
Gustave Flaubert


Lieber lesen

Statt den Kopf in den Sand zu stecken, sprich nix mehr wissen zu wollen von der Welt, würde ich empfehlen, lieber zu lesen. Zum Beispiel um sich selbst und die Welt ein bisschen besser zu verstehen.

Gefunden auf psychologie.ch

Bis auf einen sind alle folgenden Titel in diesem Jahr erschienen und eignen sich je nachdem durchaus als Weihnachtsgeschenke.

Katharina Adler, Iglhaut
Ein ausgesprochen unterhaltsamer Roman, voller ausgefeilter, aber leicht wirkender Sätze, gekonnt in den Andeutungen und Cliffhängern, die sich immer bald auflösen, irgendwie mühelos.

Heike Geißler, Die Woche
Ein krass aktuelles Buch, ich bin ganz fasziniert von dieser poetischen Prosa, diesen fantastischen Einfällen, dem Humor, den Angeboten, die „Wirklichkeit“ ganz anders zu wahrzunehmen.

Lin Hierse, Wovon wir träumen
Mir gefällt, wie poetisch-philosophisch Lin Hierse erzählt, von den Abgrenzungen zu ihrer Mutter und von der Verbundenheit mit ihr.

Elina Penner, Nachtbeeren
Ein tolles Debüt, schön komponiert, interessantes Personal, spannend wie ein Krimi, traurig, komisch, ernst, böse. Nur mit den Ömas und Öpas bin ich etwas durcheinander gekommen, was nicht weiter schlimm ist.

Slata Roschal, 153 Formen des Nichtseins
»Meine Familie war ziemlich konservativ, aber auf ihre eigene, originelle Art. Bei uns zu Hause herrschte eine Mischung aus russischer Familientradition, sowjetischer Zensur, religiösem Fanatismus und den individuellen Spezifika meiner Eltern.«

Hilde Domin, Aber die Hoffnung
Autobiographisches aus und über Deutschland
Ihre Gedichte liebe ich schon lange. Auch ihre Erinnerungen sind unbedingt lesenswert.

G. Achen, Lesende Dame
Entdeckt 2021 in der Ausstellung „Nolde und der Norden“


Ladies first

Zum Beispiel diese Geste: Man lässt mir den Vortritt. Bei meinen Recherchen, woher diese Tradition eigentlich kommt, bin ich auf eine interessante Erklärung gestoßen: Im Mittelalter mussten die adligen Herren wegen allgemeinen Machtgerangels ständig um ihr Leben fürchten. Bevor ein adliger Herr also eine Schwelle übertrat, ging er auf Nummer sicher und ließ einer Frau den Vortritt – Ladies first. Wenn diese Lady nun einem Attentat zum Opfer fiel, war immerhin ein Männerleben gerettet.

Ladies First (2017) der pakistanischen Filmemacherin Sharmeen Obaid-Chinoy

Wie sieht es mit Ladies first in der deutschen Sprache aus?
Wer mit der Sesamstraße großgeworden ist, kennt die Reihenfolge:

Quelle: NDR (Screenshot)

der, die, das
wer wie was
wieso weshalb warum …

Mein Vorschlag: Wir sortieren das mal neu. Ladies first! Laut Duden ist die deutsche Sprache mehrheitlich weiblich. Das heißt, wenn man alle Hauptworte im Rechtschreibduden durchzählt, kommt man auf etwa 46 % die-Wörter, 12 % mehr als Substantive mit männlichem Artikel.

Quelle: Rechtschreibduden online

Warum eigentlich nicht?

Wer nicht fragt, bleibt dumm.

Und noch eine Leseempfehlung, die es damals bei Erscheinen des Romans nicht ins Textbeet geschafft hat:
Julie Otsuka, Wovon wir träumten

Aus dem Englischen von Katja Scholtz
Mare Verlag 2012

Zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg reiste eine Gruppe japanischer junger Frauen nach San Francisco, um dort ihre Ehemänner kennenzulernen, und ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Der Roman beginnt so: »Auf dem Schiff waren die meisten von uns Jungfrauen. Wir hatten langes schwarzes Haar und flache, breite Füße, und wir waren nicht sehr groß. Einige von uns hatten als junge Mädchen nichts als Reisbrei gegessen und hatten leicht krumme Beine, und einige von uns waren erst vierzehn Jahre alt …«

Der Originaltitel. Auch so ein schönes Cover, nicht?

Bald ist es wieder soweit:


geirrt

Als ich 2016 im Textbeet schrieb: »Schlicht Glück, hier geboren zu sein. Inklusive dem Glück, dass wir in diesen Breitengraden voraussichtlich kaum vom Klimawandel betroffen sein werden. Nicht direkt jedenfalls«, da habe ich mich leider geirrt.

Captcha beim Buchen von Bahnfahrkarten

»Hydrologen warnen: Deutschland trocknet aus«, vermeldete National Geographic bereits im März 2022. »Der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa 2,5 Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr. Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit«, so die Tagesschau im März.

Jan Böhmermann im ZDF-Magazin Royale vom 2.9.22

Jan Böhmermann versorgt uns im ZDF-Magazin Royal regelmäßig mit erstaunlichen Fakten, die er so smart präsentiert, dass ich nicht abschalte, obwohl ich von diesen ganzen Enthüllungen schlechte Laune bekomme.

Da klingt die Ansage der Transformationsforscherin Maja Göpel wie ein hoffnungsvolles Versprechen: Wir können auch anders.

Cover [leider nur mit Spiegel-Bapperl]

Auf der Frankfurter Buchmesse wird Maja Göpel mit taz-Chefreporter Peter Unfried über ihr neues Buch sprechen: taz Talks meets Buchmesse Frankfurt [verlinkt zu youtube], geplant für den 21.10.2022.
Maja Göpel, Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen
368 Seiten
Ullstein, erschienen am 1.9.2022

Solidarischer Herbst – Demos in sechs deutschen Städten am 22.10.22

Unsere Welt von morgen wird nur solidarisch funktionieren. Dafür ruft ein Bündnis rund um den Paritätischen Wohlfahrtsverband zu Demonstrationen am 22.10. auf, in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hannover, Frankfurt am Main und Stuttgart. Sehr hörenswert hierzu ist das Jung-und-Naiv-Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Ulrich Schneider vom 7. Oktober 2022.

Allen, die grad lieber einen Blick zurück werfen möchten, empfehle ich Finding Vivian Maier von John Maloof, der in seinem Dokumentarfilm die Geschichte einer geheimnisvollen Unbekannten erzählt, die nicht zuletzt wegen seiner Hartnäckigkeit zu einer der berühmtesten Straßenfotografinnen des 20. Jahrhunderts wurde.

Filmplakat (USA, 2013)

Mit ihrer Rolleiflex hat Vivian Maier im Laufe ihres Lebens mehr als 100.000 Aufnahmen gemacht, die sie jedoch streng unter Verschluss hielt. Noch bis zum 31.12.2022 kann man Finding Vivian Maier (USA, 2013) in der arte Mediathek anschauen [verlinkt zu arte.tv].

Schon länger nicht mehr erwähnt habe ich hier die großartige Chimamanda Ngozi Adichie.
Die in Nigeria geborene Schriftstellerin hielt vor einem guten Jahr, am 22. September 2021, die Festrede [20 min, verlinkt zu youtube] anlässlich der Eröffnung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum.

Chimamanda Ngozi Adichie am 22.9.2021 in Berlin

In ihrer Rede findet sie sehr deutliche Worte zum Kolonialen Erbe und den Verbrechen in den deutschen Kolonien Anfang des 20. Jahrhunderts. Es lohnt sich, ihr zuzuhören.



Darf ich vorstellen?

September – Zeit für eine neue kleine Serie: »Darf ich vorstellen?«
Heute: Mein Teddy

Wie schaffen wir es, uns genauso wenig wie unsere Kuscheltiere aus der Ruhe bringen zu lassen?
Ein früher schon erwähnter Vorschlag:

»Ich rate, lieber mehr zu können, als man macht, als mehr zu machen, als man kann.« Bertolt Brecht »… bis man so viel macht, wie man kann.« Aus: Der Andere Advent 2019

Als Ergänzung zu seinen Meditationsanleitungen möchte ich Euch gern noch die Erinnerungen von Thich Nhat Hanh ans Herz legen: Thich Nhat Hanh, At Home In The World. Learning from a monk’s remarkable life [Rider Books, 2016]

Thich Nhat Hanh, Mein Leben ist meine Lehre: Autobiographische Geschichten und Weisheiten eines Mönchs
Aus dem Englischen von Ursula Richard [O.W.Barth, 2017]

Katerina Polodjans Zukunftsmusik spielt weit weit im Osten und erzählt von den Bewohner*innen einer „Kommunalka“. Beengte Verhältnisse, in denen die Hauptfiguren Janka, Großmutter Warwara, Mutter Nicola und und die Enkelin Kroschka (3), leben. Drumherum bewegen sich Freunde, Liebhaber, Verehrer, an einem einzigen besonderen Tag – eine der unterhaltsamsten Lektüren in diesem Sommer! 

Schließlich noch die vorerst letzte Empfehlung aus der Reihe »Lieblingsbücher, die ich noch nicht im Textbeet erwähnt habe …«:

A. S. Byatt, Possession. A Romance
Interessante Informationen zum Roman finden sich bei Wikipedia

Das Cover der deutschen Ausgabe ist nicht so schön.
Das erspare ich uns.

Antonia S. Byatt, Besessen
Aus dem Englischen von Melanie Walz
Insel, Broschur, 631 Seiten

Schöne Ablenkung im Herbst 🙂

Doch vorher geht’s auf die Straße.
Denn am 23. September findet der nächste Globale Klimastreik statt.


Velwechserungen

lichtung
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum

Ernst Jandl (1925–2000)

Ernst Jandl wäre am 1. August d. J. 97 Jahre alt geworden. Zu seinem 65. Geburtstag hatte die taz ihm 1990 mit einer Titelseite gehuldigt, an die ich mich, schon damals ein Jandl-Fan, gut erinnere. Im taz-Text waren wie in lichtung die Buchstaben l und r vertauscht. Leider kann ich keine Abbildung finden. Eine Überschrift hieß (laut Wikipedia): „Eins beim Lasen, entzweit bei Plomirre“.

Womit wir wieder beim Thema Verkehr wären, genauer gesagt bei Bundesverkehrsministern aus kleinen Koalitionsparteien. 1990 war das Friedrich Zimmermann (CSU), heute setzt sich Volker Wissmann (FDP) gegen Tempo 130 und für den Autobahnausbau ein.

StVO-Zeichen 393:
Informationstafel an Grenzübergangsstellen

Der BUND hat jüngst ein schönes Erklärvideo zum Bundesverkehrswegeplan in Hinblick auf die vereinbarten Klimaschutzziele veröffentlicht [Dauer: gut 5 min].

Quelle: BUND

„Freie Bürger fordern freie Fahrt“, so behauptete es Franz Stadler (ADAC-Präsident 1972–1989) in einer Kampagne von 1973 gegen den Feldversuch Tempo 100 auf deutschen Autobahnen. Damals regierte die SPD gemeinsam mit der FDP. Wegen der Ölpreiskrise gab es ein Fahrverbot am 25.11.1973 und an den folgenden drei Sonntagen. Das 50jährige Jubiläum könnten wir 2023 eigentlich mit ähnlichen Aktionen feiern, nicht?

Wer wissen möchte, was ich grad so richtig lustig finde, schaue sich diesen Rap von FIL [= Philip Tägert] an, der am 7.8.2022 in Till Reiners Happy Hour aufgetreten ist. Zum 3sat-Video [ab min 42:00]

FIL am 7.8.2022 Quelle: 3sat-Mediathek

Zitat: „Du hast mir meine Reime gestohlen, aber ich werde sie mir wieder beschaffen!“

Noch leichter zu verwechseln: Asterix und Asterisk.

Band 38 (2019). Quelle: Ehapa-Verlag


Somit sei in diesem August-Textbeet nach sieben Männern wenigstens noch eine junge Rebellin erwähnt: Die Tochter des Vercingetorix – ADRENALINE, Titelheldin von Asterix-Band 38.

Asterisk dagegen meint den Gender*stern. Erst neulich habe ich diese Bezeichnung gelesen und zwar in einer Empfehlung der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik [was es nicht alles gibt …]. Die dazugehörige Studie gibt dem Asterisk am Ende den Vorzug vorm Gender-Doppelpunkt als Mittel der gendersensiblen Schriftsprache.

Und nun will ich endlich mal wieder auf unsere Initiative Schenefeld im Wandel hinweisen, denn wir haben ein neues Logo, das wir der Schenefelder Illustratorin Alena Klemp verdanken.

Logo: Alena Klemp

Wie andere Transition-Initiativen versuchen auch wir „eine bessere Welt in kleinen Schritten“. In unserer Stadt tut sich da einiges.


nix dafür

Ich bin leider schuld
Ich hatte mir gewünscht, dass die Mücken sterben und die Wespen auch
Ich bin leider schuld
Ich hatte allgemein einen hohen Verbrauch
Ich bin leider schuld
Ich hatte mir gewünscht, dass es wärmer wird, warm genug zum Baden
Ich bin leider schuld
Ich hatte nicht gedacht an den ganzen Schaden

Aus: Dota, Ich bin leider schuld,
von der CD Wir rufen Dich, Galaktika (2021)

Der ganze Text ist bei genius.com nachzulesen und der ganze Song zu hören hier bei youtube.

Gegen Ende singt ein Kinderchor: „Schuld bist du nicht allein“. Aber irgendwie mitschuldig eben schon. Gleichzeitig gibt es viel Fatales, für das ich z. B. nicht verantwortlich bin. Da kann ich echt nix dafür. Zum Beispiel, dass immer noch kein generelles Tempolimit gilt auf unseren Autobahnen. Daran scheint mir eher unser Finanzminister schuld zu sein. Wollen wir eine Demo organisieren? Bitte melden!
Eine Petition bei change.org Tempolimit 130 km/h – sofort! zum Gleich-Unterschreiben gibt es schon.

Die Ich-Erzählerin in Die Woche von Heike Geißler [ganz zu Recht auf der Shortlist zum Leipziger Buchpreis 2022] wäre bei der Demo wahrscheinlich sofort dabei. Die Woche ist ein großartiger Empowerment-Roman, krass, poetisch, phantastisch, aktuell. Was wollen wir mehr?
Heike Geißler, Die Woche
316 Seiten
Suhrkamp, erschienen am 7.3.2022

Hier noch ein Buchtipp aus der Reihe »Lieblingsbücher, die ich noch nicht im Textbeet erwähnt habe …«

Tanja Langer hat ihre unkonventionelle Freundschaft mit dem Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Alfred Herrhausen, der 1989 von der RAF ermordet wurde, in einem fesselnden Roman verdichtet.

Tanja Langer, Der Tag ist hell, ich schreibe dir
408 Seiten
Langen-Müller, erschienen 2012

Unsere Rosen, (c) marengide
Orwells Rosen, (c) Rowohlt Verlag
Rebecca Solnit, (c) Trent Davis Bailey

Als Fan von Rebecca Solnit empfehle ich Orwells Rosen, das noch auf meiner Wunschliste steht. Ich vertraue da ganz Margaret Atwood, die schreibt: »Ich liebe dieses Buch, und viele andere werden das auch tun. Ein berauschender Streifzug durch Orwells Leben und seine Zeit …«

Rebecca Solnit, Orwells Rosen
Aus dem Englischen von Michaela Grabinger
320 Seiten
Rowohlt, erschienen am 14.6.2022

Kletterrose vor der Nachbar-Garage

Zum weiterhin wichtigen Thema Geschlechtergerechte Sprache [Gendern] zitiere ich gern noch die mährisch-österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916), die lange vor der Gender-Debatte festgestellt hat:
»Wenn eine Frau sagt ›Jeder, meint sie: jedermann.
Wenn ein Mann sagt Jeder, meint er: jeder Mann.«

Uns allen, jeder und jedem, wünsche ich wunderbare Sommertage!

(c) Thomas Stephan on Unsplash, entdeckt auf hamburg-tourism.de